Am 26.10.2005 wurden offiziell die Beitrittsverhandlungen der Türkei mit der Europäischen Union aufgenommen. Bekanntlich bewarb sich die Türkei bereits im Jahre 1959 um eine Mitgliedschaft in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG). 1963 folgte dann zwischen der Türkei und EWG ein Assoziierungsabkommen, welches auch als erster Schritt für eine zukünftige Mitgliedschaft in der damaligen Europäischen Gemeinschaft (EG) verstanden wurde.

Am 1. Januar 1996 wurde zwischen der Türkei, einem Nichtmitglied der EU, und der EU die Zollunion eingeführt, was in der Geschichte der EG / EU bisher einmalig war. Problematisch an dieser Konstellation ist nämlich, dass die Türkei aufgrund der Zollunion die eigenen Handelsbeziehungen mit Nicht-EU-Ländern nach dem europäischen Wirtschafsrecht zu gestalten hat, ohne jedoch auf die Entscheidungen, auch wenn es um Wirtschafts- und Handelsfragen geht, in Brüssel Einfluss nehmen zu können, die unmittelbar auch die Türkei betreffen. Deshalb sieht sich das Land bei diesem Abkommen als stark benachteiligt.

Letztendlich entscheidend für die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei waren die umfassenden Reformen auf dem Gebiet des Zivilrechts. So hat die Türkei heute ein reformiertes Zivil- und Obligationenrecht nach dem Vorbild der Schweiz, das im Jahre 2002 vor allem die rechtliche Stellung der Frau verbesserte. Daneben hat die Türkei ein recht modernes Marken-, Patent- und Geschmacksmustergesetz. Das Handelsgesetzbuch befindet sich derzeit wieder in einer Reformphase mit grundlegenden Änderungen, die voraussichtlich Ende 2009 in Kraft treten sollen.

Die Verhandlungen mit der Türkei führt die Europäischen Kommission. Das hierbei anzuwendende EU-Regelwerk umfasst insgesamt 35 Kapitel. Die Ergebnisse über den Stand der Reformen und Fortschritte dieser Beobachtungen und Verhandlungen fließen in einen Bericht ein, den die Kommission jeweils im Herbst veröffentlicht. Die Kommission entscheidet auch, ob und wann, welcher Kapitel abgeschlossen ist. Der Betritt kann aber jedoch durch mehrere Möglichkeiten verhindert werden, so wenn ein Drittel der EU-Mitglieder dies fordern oder der Reformprozess in der Türkei in den sog. Kernbereichen, Menschenrechte, Minderheitenschutz und Meinungsfreiheit ins Stocken gerät. Des Weiteren kann eine Nichtratifizierung in den Mitgliedsstaaten per Parlamentsentscheidung oder Referendum den Betritt verhindern, sogar wenn nur ein Mitgliedsstaat sich verweigert, den Beitrittsvertrag zu ratifizieren. Schließlich wurde noch auf Druck Österreichs in den Rahmentext die wirtschaftliche und politische Aufnahmefähigkeit der EU am Ende der Verhandlungsphase als weiteres mögliches Hindernis aufgenommen.